Heute, 19.03.2024


Lesung mit Paul Murray

»Der Stich der Biene«

Paul Murray, Foto: Chris Maddaloni
Der irische Schriftsteller Paul Murray stellt sein tragisch-komisches Epos über die Familie Barnes vor, die in ziemlichen Schwierigkeiten steckt, denn Dickie Barnes’ lukratives Autogeschäft läuft nicht mehr.

Anstatt sich dem Problem zu stellen, beginnt Dickie Barnes in den Wäldern einen Bunker zu bauen, während seiner Frau die Avancen von Big Mike, dem reichen Rinderzüchter, immer attraktiver erscheinen, die achtzehnjährige Cass auf den Niedergang reagiert, indem sie beschließt, sich bis zu ihrem Abschluss jeden Tag zu betrinken und der zwölfjährige PJ Pläne schmiedet, von zu Hause abzuhauen. Ganz beiläufig stellen sich in dem hochgelobten Roman damit die ganz großen Fragen: Wann und warum begann der Untergang? Was hätte man tun können und wie weit müsste man zurückgehen, wenn man die Geschichte ändern könnte? Bis zu dem Tag, als Dickie Barnes zehnjährig zitternd vor seinem Vater stand und lernte, wie man ein richtiger Mann wird? Bis zu dem Autounfall zwölf Monate vor Cass’ Geburt? Oder bis zu dem verheerenden Stich der Biene, der Imeldas Hochzeitstag ruinierte? Moderation: Margarete von Schwarzkopf.

Literaturhaus, Schwanenwik 38, 19.30 Uhr, € 14,–/10,–/Streaming 6,–


Literatur im Gespräch

Caffè Letterario

Literaturtreff des Istituto Italiano über ein italienisches Buch.

Istituto Italiano di Cultura Hamburg, Hansastraße 6, 19.00 Uhr, Eintritt frei, Infos und Anmeldung:


Buchpremiere mit Hans-Christian Dany

»Schuld war mein Hobby«

Hans-Christian Dany liest aus seinem neuen Buch »Schuld war mein Hobby. Bilanz einer Familie«.

Ein Düsseldorfer Galerist macht Hans-Christian Dany das Angebot, gegen einen Pauschalbetrag zwölf Texte zu schreiben, die online veröffentlicht werden sollen. Ohne Vorgabe von Thema oder Umfang. Der Auftrag mutiert zur literarischen Reise in den Zerfall einer Familie, der sich als Symptom für das Leben in einem kranken Land der Nachkriegsgeschichte erweist. Dany schreibt über sein Erbe im juristischen und im übertragenen Sinne, über buchhalterische wie emotionale Forderungen und Verbindlichkeiten und über den eigenen Weg vom Künstler und Schriftsteller zum verschuldeten Firmenerben, unfreiwilligen Arbeitgeber und »Minusmillionär«. Die Reflexionen zwischen Kunst und großem Geld sind nicht nur autobiografische Essays, sondern auch Versuche einer eigenen Standortbestimmung im ausklingenden Neoliberalismus.

Eine ironische Wende nimmt das Projekt über Schulden und Schuld, als sich abzeichnet, dass der Galerist die versprochenen Honorare möglicherweise nicht zahlen wird, und sich die Frage, was man (und wer?) sich leisten kann, auf wieder andere Weise stellt. Verlassen vom Auftraggeber, beginnt der Text, seine eigene Dynamik zu entwickeln.

cohen+dobernigg BUCHHANDEL, Sternstraße 4, 19.30 Uhr, € 8,–


Aktuelle Buchempfehlungen

01.03.2024 | Literatur in Hamburg
Barbara Kingsolvers Roman »David Copperhead«

Der Dämon der Appalchen

Barbara Kingsolver
Barbara Kingsover, Foto: Evan Kafka
Von den Demütigungen und Ängsten eines verwaisten Jungen im London des 19. Jahrhunderts erzählt Charles Dickens in »David Copperfield«. Es ist einer der bedeutendsten Kindheits- und Jugendromane der Weltliteratur und als Stoff heute wieder brandaktuell, wie der neue Roman »Demon Copperhead« (DTV) der US-amerikanischen Schriftstellerin Barbara Kingsolver zeigt. Sie hat den autobiografischen Bildungsroman, der zur Zeit der ersten industriellen Revolution spielt, in die Gegenwart geholt und in ihre Heimat, die Appalachen verlegt. In diesem Frühjahr ist die grandiose, u.a. mit dem Pulitzer Preis ausgezeichnete, Neuerzählung in einer deutschen Übersetzung von Dirk van Gunsteren erschienen.


01.03.2024 | Literatur in Hamburg
Nicole Seiferts Buch »Einige Herren sagten etwas dazu«

Vorgelesen, gerupft worden und fallen gelassen

Nicole Seifert
Nicole Seifert, Foto: Katja Scholtz
Eine vergleichbar machtvolle literarische Institution gab es danach nie wieder: Die Gruppe 47 hat den deutschen Literaturbetrieb für Jahrzehnte geprägt, auch lange nach dem Ende ihrer berühmten Tagungen war sie durch einige ihrer Protagonisten noch richtungsweisend für die Entwicklung der deutschsprachigen Literatur. Die Hamburger Autorin und Literaturwissenschaftlerin Nicole Seifert, die seit Jahren über Schriftstellerinnen, ihre Literatur und ihre Wahrnehmung in der Gesellschaft forscht, schreibt und publiziert, erzählt in ihrem neuen Buch »Einige Herren sagten etwas dazu« (Kiepenheuer und Witsch) nun von den »Autorinnen der Gruppe 47«.


13.03.2024 | Literatur in Hamburg
John Nivens Memoir über seinen Bruder

»O Brother«

John Niven
John Niven, Foto: Erik Weiss
Seine rabenschwarze Satire »Kill your Friends« wurde zum internationalen Bestseller und Kultroman, und auch mit seinen folgenden Romanen hat der im schottischen Ayrshire geborene Schriftsteller John Niven mit einem Mix aus bissigem Humor, Direktheit und Herz überzeugt. Das zeichnet auch sein neues Buch aus, obwohl sein Memoir »O Brother« (btb) von einem »Tschernobyl der Seele« erzählt.


29.01.2024 | Literatur in Hamburg
Iris Wolffs neuer Roman »Lichtungen«

Countdown einer Liebe

Iris Wolff
Iris Wolff, Foto: Maximilian Goedecke
Bisher ist Iris Wolff mit ihren Romanen stets auf die ein oder andere Weise in die Regionen ihrer Kindheit zurückgekehrt, zuletzt mit dem hochgelobten und mehrfach ausgezeichneten Roman »Die Unschärfe der Welt«, einer Familiensaga mit Schauplätzen im Banat und in Siebenbürgen. Ihr neuer Roman »Lichtungen« (Klett-Cotta) spielt nun in einem kleinen Dorf im rumänischen Vielvölkerstaat in den letzten Jahren der Ceausescu-Diktatur. Er erzählt die tief berührende Geschichte einer Freundschaft und Liebe als Reise in die Vergangenheit. Sie beginnt in der Gegenwart und mit einem Happy End.


29.01.2024 | Literatur in Hamburg
Uwe Timms Lebensbuch »Alle meine Geister«

Die Kunst des Auslassens

Uwe Timm, Foto: Lena Ternovaja
Ganz erstaunlich an dem neuen Buch von Uwe Timm ist seine große Leichtigkeit. Obwohl schon der Titel »Alle meine Geister« (Kiepenheuer und Witsch) ankündigt, dass da vieles erinnernd beschworen wird, gelingt es diesem Grandseigneur der deutschen Gegenwartsliteratur virtuos, seine Themen in einem fein gesponnenen Netz aus atmosphärisch verdichteten Erinnerungssplittern für ein großes Lebensbuch einzufangen. Es spielt in den fünfziger Jahren in Hamburg, und es geht um Pelze, um Literatur und den Jazz.


29.01.2024 | Literatur in Hamburg
Anja Marschals historischer Roman »Als der Sturm kam«

»Als der Sturm kam«

Anja Marschall, Foto: Frauke Ibs
Wer es einmal miterlebt, vergisst es nicht mehr, obwohl es so oft glimpflich ausgeht. Meist dümpeln dann am Fischmarkt und in der HafenCity ein paar Autos im Wasser und müssen von der Feuerwehr gerettet werden, Straßenlaternen und Straßenschilder stehen im Wasser, Bahnstrecken sind gesperrt. Das passiert in den Wintermonaten in Hamburg häufiger. Auch am 16. Februar 1962 wurde ein Szenario wie dieses erwartet, doch es kam anders. Fast ein Fünftel des Stadtgebietes wurde überschwemmt. Es war die schlimmste Sturmflut seit fast 140 Jahren. Die Hamburger Autorin Anja Marschall erzählt in dem exzellent recherchierten Spannungsroman »Als der Sturm kam« (Piper) von den Ereignissen und vom Überlebenskampf der Menschen. Im Speicherstadtmuseum stellt Anja Marschall ihren Roman vor.


01.01.2024 | Literatur in Hamburg
Martin Doerrys deutsch-jüdische Familiengeschichte

»Lillis Tochter«

Martin Doerry
Martin Doerry, Foto: privat
Es ist ein zutiefst ergreifendes Zeitzeugnis, das der Journalist und Historiker Martin Doerry vor über 20 Jahren mit seinem Buch »Mein verwundetes Herz. Das Leben der Lilli Jahn 1900–1944« vorlegte. Das Buch wurde in 19 Sprachen übersetzt und als »ein großes, ergreifendes Dokument über eine private Katastrophe inmitten der politischen« (FAZ) gefeiert. Es basiert auf Briefen von Martin Doerrys Großmutter Lilli, die in Auschwitz ermordet wurde, und von ihren fünf Kindern. In seinem neu erschienenen Buch »Lillis Tochter« (DVA) erzählt er nun die Geschichte seiner Mutter Ilse – eine deutsch-jüdische Familiengeschichte »im Schatten der Vergangenheit«.


01.12.2023 | Literatur in Hamburg
Alice Hasters neues Buch »Identitätskrise«

Plädoyer für eine neues Wir

Alice Hasters
Alice Hasters, Foto: Paula Winkler
Mit ihrem Buch »Was weiße Menschen nicht über Rassismus hören wollen, aber wissen sollten« (2020) ist ihr ein vieldiskutierter Longseller gelungen, heute ist Alice Hasters eine der wichtigsten Stimmen des Landes im Kampf gegen Rassismus. Bekannt wurde die Journalistin aber auch durch ihren monatlichen Podcast »Feuer & Brot«, in dem sie zusammen mit Maxi Häcke tausende von Zuhörer:innen mit Themen »zwischen Politik & Popkultur« erreicht. Entsprechend groß ist die Aufmerksamkeit für ihr neues Buch »Identitätskrise« (hanserblau).


01.12.2023 | Literatur in Hamburg
Erika Freeman und Dirk Stermann

»Zweifeln immer, verzweifeln nimmer«

Dirk Stermann und Erika Freeman
Dirk Stermann und Erika Freeman, Foto: Ingo Pertramer
Jeden Mittwoch um halb elf hat sich der in Wien lebende Kabarettist, Fernsehmoderator und Schriftsteller Dirk Stermann im Luxushotel Imperial an der Wiener Ringstraße für einige Monate mit Erika Freeman getroffen. Aus den Gesprächen mit der berühmten 96-jährigen Psychoanalytikerin und Therapeutin ist in einer sehr gelungenen Melange aus Lebensbericht, Anekdotensammlung und Porträt ein grandioses Buch über ein »Jahrhundertleben« entstanden: »Mir geht‘s gut, wenn nicht heute, dann morgen« (Rowohlt).


01.12.2023 | Literatur in Hamburg
Florian Illies Buch über Caspar David Friedrich

Sehnuschtsmond im Nebelland

Winterlandschaft
Caspar David Friedrich: Winterlandschaft, 1811, Foto: Staatliches Museum Schwerin
Es gibt Bilder, die sich in wenigen Augenblicken in die Netzhaut brennen und dann zu einer Erinnerung werden, die man nicht mehr vergisst. Eines dieser Bilder wird seit Jahrzehnten unermüdlich und in immer neuen Varianten für die Titelseiten von Magazinen reproduziert, wenn deutsche Bewusstseinslagen zu verhandeln sind. Dann steht er da auf seinem Felsen und blickt in eine erhabene Landschaft: Caspar David Friedrichs »Wanderer über dem Nebelmeer«. Zum 250. Geburtstag des Romantikers werden seine Werke in mehreren großen Ausstellungen gezeigt. In Hamburg zeigt die Kunsthalle bis zum 1. April eine der umfangreichsten Werkschauen des Künstlers seit vielen Jahren. Und Florian Illies lädt mit seinem neuen Buch zu einer »Reise durch die Zeiten«, im Blick hat er dabei den »Zauber der Stille« (S. Fischer), der so vielen Bildern von Caspar David Friedrich zu eigen ist.


01.12.2023 | Literatur in Hamburg
Jasmin Schreibers Roman »Endling«

Die letzte ihrer Art

Jasmin Schreiber
Jasmin Schreiber, Foto: privat
Als Schriftstellerin, Biologin, Bloggerin und Krabbeltier-Enthusiastin stellt sich auf ihrer Website Jasmin Schreiber vor, die »mit einer unübersichtlichen Anzahl an Tieren und Pflanzen in Hamburg« lebt: Asseln, Spinnen, verschiedenen Schneckenarten, Gottesanbeterinnen, Käfern, Würmern, und zwei Hunde gehören auch zur Familie. In ihrem neuen Roman »Endling« (Eichborn) bilden Tiere vom Taubenschwänzchen über die Achateule bis zur Hani-Bänderschnecke einen schönen Leitfaden durch eine spannende Geschichte. Sie spielt in einer dystopischen Welt des Jahres 2041.


29.10.2023 | Literatur in Hamburg
Jarka Kubsovas Roman »Marschlande«

Eine Alte Geschichte in neuem Licht

Jarka Kubsova
Jarka Kubsova, Foto: Christoph Niemann
Eine Hamburger Sage überliefert seit Jahrhunderten die Geschichte der schönen, alleinstehenden Bäuerin Abelke Bleken, die im März 1583 als Hexe verurteilt und verbrannt wurde. In ihrem neuen Roman »Marschlande« (S. Fischer) rekonstruiert die Hamburger Autorin Jarka Kubsova die Ereignisse, die damals zu einer Anklage wegen »Schadenszauberei« und »Teufelsbuhlschaft« führten und verschränkt sie mit der Suche einer Frau und Mutter nach einem selbstbestimmten Leben in der Gegenwart.


29.09.2023 | Literatur in Hamburg
Mirko Bonnés neuer Roman

Wenn die Tage plötzlich wieder zählen

Mirko Bonné
Mirko Bonné, Foto: Beowulf Sheehan
Der neue Roman »Alle ungezählten Sterne« (Schöffling) von Mirko Bonné ist ein Höhepunkt und ganz besonderes Glanzlicht der deutschen Gegenwartsliteratur in diesem Jahr. In einem grandiosen Mix aus Politthriller, Gesellschafts- und Zeitroman führt der Hamburger Übersetzer, Dichter und Schriftsteller an eine zentrale gesellschaftliche Bruchkante unserer Zeit. An ihr prallen bürgerliche Saturiertheit und Erschöpfung auf die radikale Unbedingtheit und Entrüstung einer Jugend, die keine Zukunft mehr für sich sieht. Hamburg ist ein idealer Ort, um den Großkonflikt auszuleuchten – und Mirko Bonné erweist sich dabei als kongenialer Erzähler.


29.09.2023 | Literatur in Hamburg
Jeannette Walls Roman »Vom Himmel die Sterne«

Die Rum-running Queen von Claiborne County

Jeannette Walls
Jeannette Walls, Foto: John Taylor
Mit ihrem autobiografischen Roman »Schloss aus Glas« über ihre ungewöhnliche Kindheit, der in 31 Sprachen übersetzt wurde, erreichte die US-amerikanische Schriftstellerin Jeannette Walls ein Millionenpublikum und stand in Deutschland monatelang auf den Bestsellerlisten. Einen autobiografischen Hintergrund hatten auch ihre beiden folgenden Romane. Bei »Vom Himmel die Sterne« (Hoffmann und Campe) ist das nun anders, der actiongeladene Pageturner erzählt von einer mächtigen Familiendynastie in Virginia zur Zeit der Prohibition.


29.09.2023 | Literatur in Hamburg
Louise Kennedys Roman »Übertretung«

Gegen jede Vernunft

Louise Kennedy, Foto: privat
Seit dem Karfreitagsabkommen 1998 gilt der Nordirlandkonflikt als befriedet und schwelt doch bis heute weiter. Wie fragil die Situation ist, hat der Brexit gezeigt, in dessen Folge zum ersten Mal wieder Brandbomben in dem ehemaligen Bürgerkriegsland flogen. Zwischen 1969 und 1998 forderte der Konflikt weit über 3000 Todesopfer und zahllose Verletzte. Die Gewalt und die daraus resultierenden Traumata wirken bis heute fort und werden auch in der reichen Literatur Nordirlands immer wieder thematisiert. In ihrem international gefeierten Besteller »Übertretung«, der in diesem Herbst in der Übersetzung von Claudia Glenewinkel und Hans-Christian Oeser bei Steidl erschienen ist, erzählt die irische Schriftstellerin Louise Kennedy von den »Troubles« – und von einer Liebe gegen jede Vernunft.


27.09.2023 | Literatur in Hamburg
Helge Timmerbergs »Joint Adventure«

Auf Drogentrip mit Helge

Helge Timmerberg
Helge Timmerberg, Foto: Frank Taurit
Er tut es seit Jahrzehnten und hat nicht vor, es irgendwann aufzugeben, solange er genussmittelfähig ist: Helge Timmerberg outet sich in »Joint Adventure« (Piper) als Kiffer. Pünktlich zum Endspurt des neuen Cannabis-Gesetzes, das zum Jahreswechsel in Kraft treten soll, hat er sich auf eine so informative wie unterhaltsame »Reise in die Welt des Cannabis« begeben. Er ist nach Malle, Malta und Marrakesch, nach Thailand, Holland und Hollywood gereist, um in Erfahrung zu bringen, was mit der Legalisierung so auf uns zukommt.


18.09.2023 | Literatur in Hamburg
Rachel Yoders Roman »Nightbitch«

Ein ganz anderer Mensch

Rachel Yoder
Rachel Yoder, Foto: Nathan Biehl
Das knallrote Buchcover zeigt drei rohe Steaks in zarten Frauenhänden, darunter steht in weißen Großbuchstaben »Nightbitch«. Auf den Büchertischen der Buchhandlungen wird das krasse Motiv auffallen, soviel ist sicher. Doch die US-amerikanische Schriftstellerin Rachel Yoder, deren gefeierter Debütroman in diesem Herbst in der deutschen Übersetzung von Eva Bonné erschienen ist, geht es um mehr als bloße Provokation. Ihr Roman ist eine furiose Kampfansage und gleichzeitig die poetische Ausführung einer populären feministischen Denkfigur. Er erzählt von einer Mutter, die für ihr Baby alles aufgibt. Und von ihrer Selbstermächtigung durch die kuriose Verwandlung in einen Hund.


30.08.2023 | Literatur in Hamburg
Terézia Moras neuer Roman

»Muna oder Die Hälfte des Lebens«

Terézia Mora
Terézia Mora , Foto: Antje Berghäuser
Sie ist eine der wichtigsten Stimmen der deutschen Gegenwartsliteratur. Als Literaturstar wurde Terézia Mora schon mit ihrem Debüt »Seltsame Materie« (1999) gefeiert, 2013 erhielt sie für ihren Roman »Das Ungeheuer« den Deutschen Buchpreis, 2018 mit dem Büchner-Preis für ihr Gesamtwerk die renommierteste Auszeichnung, die es im deutschen Sprachraum zu gewinnen gibt. In diesen Tagen ist nun ein neuer Roman der 1971 in Sopron, Ungarn, geborenen Schriftstellerin erschienen, die seit 1990 in Berlin lebt. Es ist eine Liebesgeschichte: »Muna oder Die Hälfte des Lebens« (Luchterhand).


29.08.2023 | Literatur in Hamburg
Tanja Schwarz´ neuer Roman »Vaters Stimme«

Ein Basso continuo für das schwankende Selbst

Tanja Schwarz
Tanja Schwarz, Foto: Rebecca Hoppé
Man kann diesen Roman als Plädoyer gegen patriarchale Gewalt lesen, vor allem zeichnet »Vaters Stimme« (hanserblau) von Tanja Schwarz aber das präzise und in einer oft hochpoetischen Sprache ausgestaltete Sittenbild einer westdeutschen Mittelstandsfamilie von der Nachkriegszeit bis in die Gegenwart. Die Brüche und Verwerfungen, die ihm eingeschrieben sind, finden sich, mal mehr und mal weniger dramatisch, in vielen Familien und mit ihnen stellt sich immer auch die universelle Frage danach, wie wir zusammenleben wollen, selbstbestimmt und emanzipiert oder überformt von autoritären Strukturen.


25.08.2023 | Literatur in Hamburg
Johanna Sebauers Romandebüt »Nincshof«

Der Königsweg in die Freiheit

Johanna Sebauer
Johanna Sebauer, Foto: Birte Filmer
Eine souverän zwischen Satire, Ironie und tieferer Bedeutung changierende, höchst unterhaltsame Geschichte über eine Unabhängigkeitserklärung, wie sie in den europäischen Provinzen derzeit nur zu oft geträumt wird, erzählt Johanna Sebauer in ihrem Romandebüt »Nincshof«. Die Lektüre ist ein großer Spaß, der gleichzeitig einen deutlichen Hinweis auf die kulturelle Demarkationslinie zwischen Stadt und Land gibt, an der die politisch-gesellschaftlichen Spaltungstendenzen heute so oft festgezurrt werden.


20.08.2023 | Literatur in Hamburg
Robert Seethalers Roman »Das Café ohne Namen«

Ein Platzerl im Leben

Robert Seethaler
Robert Seethaler, Foto: Urban Zintelr
Das Angebot in diesem Café in der Wiener Leopoldstadt am Karmelitermarkt ist überschaubar, und eigentlich ist es noch nicht einmal ein richtiges Café. Doch die Menschen aus dem Viertel kommen hier trotzdem zusammen, und sie erzählen ihre Geschichten – von der Sehnsucht, dem Verlust und dem unverhofften Glück. Einen richtigen Plot gibt es in dem neuen Roman von Robert Seethaler nicht, und das Thema lässt auch dann noch vieles offen, wenn man es auf eine Milieustudie in der Wiener Nachkriegszeit herunterbricht. Dennoch ist »Das Café ohne Namen« (claasen) ein berührender Roman, das liegt vor allem an der Sprache, die in ihrer Kargheit einen ganz eigenen Sog entwickelt.


01.06.2023 | Literatur in Hamburg
Marica Bodrožics »Die Arbeit der Vögel«

Das größere Gedächtnis

Marica Bodroži?
Marica Bodrožic, Foto: Peter von Felbert
Klare Gattungsgrenzen gibt es in diesem Buch nicht, die Übergänge zwischen Essay, Erzählung und Poesie sind so fließend wie jene zwischen der Natur und der inneren Lebenslandschaft, die Marica Bodrožic in »Die Arbeit der Vögel« (Luchterhand) erkundet. Sie selbst bezeichnet es als ein »Denk-, Essay- und Erzählprojekt«, im Untertitel gibt sie den poetischen Takt dafür vor und nennt die kurzen Texte über eine Wanderung und ein ganzes Jahrhundert, das dabei durchschritten wird »Seelenstenogramme«. Sie verbinden eine brillante Erinnerungsarbeit über Walter Benjamin mit der Suche nach einem »weiter gefassten, großzügigeren Selbst«.


01.06.2023 | Literatur in Hamburg
Ella Carina Werners Erzählband »Man kann auch ohne Kinder keine Karriere machen«

So super, diese Frau Werner

frei
Ella Carina Werner, Foto: Julia Schwendner
In ihrem gefeierten Erzählband »Der Untergang des Abendkleides« (2020) erzählt sie von ihrer Geburt, ihren hochfliegenden Plänen, aber auch von Menschen, etwa vom »Ding Dong« der Handwerker und von Onkel Bernhard, der sich lustvoll die Pfeffermühle auf den Kopf haut. In den neuen Geschichten aus dem Leben von Ella Carina Werner hängt Onkel Bernhard nun »halb auf dem Teppich« und ist Feminist, »ein bisschen Restsexist« und Frauenfußballfan. Doch auch sonst schöpft die Mitherausgeberin des Satiremagazins »Titanic« und Autorin der monatlichen Kolumne »Rosen in Beton« höchst »inspirierend« aus ihrem reichen Erfahrungsschatz als Frau. Das geht schon mit dem Titel los: »Man kann auch ohne Kinder keine Karriere machen« (Rowohlt).


30.05.2023 | Literatur in Hamburg
T.C. Boyles »Blue Skies«

Der Countdown läuft

T.C. Boyle
T.C. Boyle, Foto: Jamieson Fry
In seinen letzten Romanen war der amerikanische Schriftsteller T.C. Boyle stets auf der Spur wissenschaftlicher Untersuchungen: Eine bitterböse Persiflage des Versuchs, eine autarke »Biosphäre« zu erschaffen, ist sein Roman »Die Terranauten« (2017), in »Das Licht« (2019) erzählt er von den Experimenten mit bewusstseinserweiternden Drogen des Hippie-Gurus und Harvard-Professors Timothy Leary, und in »Sprich mit mir!« (2021) geht es um das Bewusstsein von Tieren, genaugenommen um einen Schimpansen, der ohne Kontakt zu seinen Artgenossen in einer menschlichen Familie aufwächst. Für seinen neuen Roman »Blue Skies« (Hanser) projiziert er nun die Folgen des Klimawandels ein klein wenig in die Zukunft und erzählt von einer Welt, in der die Apokalypse beginnt.


30.05.2023 | Literatur in Hamburg
Helga Schuberts »Der heutige Tag«

Die weiten blauen Fernen

Helga Schubert
Helga Schubert, Foto: Renate von Mangold
Für eine Erzählung aus ihrem Sammelband »Vom Aufstehen. Ein Leben in Geschichten« (DTV) wurde Helga Schubert 2020 mit dem Ingeborg-Bachmann-Preis ausgezeichnet, 40 Jahre nachdem die heute 83-jährige Schriftstellerin schon einmal zum Wettbewerb eingeladen war und ihn dann verpasste, weil sie nicht aus der DDR ausreisen durfte. In diesem Frühjahr ist mit der »Der heutige Tag« (DTV) ein tief berührendes Porträt des Lebens mit ihrem Mann im Mecklenburgischen Neu Meteln erschienen, es ist »Ein Stundenbuch der Liebe«, das die kleinen Momente des Glücks in einem höchst beschwerten Alltag feiert.


01.05.2023 | Literatur in Hamburg
Clemens Setz neuer Roman »Monde vor der Landung«

Den »Windmühlen-Vorteil« nutzen

Clemens Setz
Clemens Setz, Foto: Max Zerrahn
Vor zwei Jahren wurde Clemens J. Setz mit dem Büchner-Preis ausgezeichnet, und es ist nur der Gipfel all der Preise, mit denen der Grazer Schriftsteller schon geehrt wurde. Dabei ist seine Literatur im besten Sinn exzentrisch, gleichzeitig gegenwärtig, hochpoetisch und verspielt. Mit künstlich erschaffenen Sprachen setzt er sich in »Die Bienen und das Unsichtbare« (2020) auseinander, ein »Gespräch ohne Autor« inszeniert er in »Bot« (2018), und sein neuer Roman »Monde vor der Landung« (Suhrkamp) erzählt die Geschichte eines Querdenkertums »avant la lettre«, wie der Verlag ankündigt, die aktueller kaum sein könnte. Es ist die Rekonstruktion der Biografie einer historischen Figur, akribisch recherchiert und literarisch meisterhaft ausgeleuchtet.


01.05.2023 | Literatur in Hamburg
Der neue Roman von A.L. Kennedy

»Als lebten wir in einem barmherzigen Land«

A.L. Kennedy
A.L. Kennedy, Foto: Robin Niedojadlo
Die im schottischen Dundee geborene Alison Louise Kennedy gilt als einer der brillantesten Köpfe der Gegenwart, ist eine der wichtigsten Schriftstellerinnen Großbritanniens und wurde für ihre Romane und Erzählbände vielfach ausgezeichnet. In Deutschland wird sie mit nahezu jedem ihrer Bücher gefeiert und hat ein großes Publikum. Ihr neuer Roman »Als lebten wir in einem barmherzigen Land« feiert seine »Weltpremiere« in diesem Frühjahr in der deutschen Übersetzung von Susanne Höbel und Ingo Herzke, der das Werk von Kennedy seit vielen Jahren begleitet. Es sei ein »Meisterwerk der moralischen Beunruhigung« heißt es beim Hanser Verlag.


01.05.2023 | Literatur in Hamburg
Kim de l’Horizons »Blutbuch«

Ein Zuhause in der Sprache finden

Kim De l Horizon
Kim de l´Horizon, Foto: Anne Morgenstern
Es war ein Triumphzug, mit dem Kim de l’Horizon die literarische Welt im vergangenen Jahr aufmischte. Zuerst wurde der Debütroman »Blutbuch« mit dem Literaturpreis der Jürgen-Ponto-Stiftung ausgezeichnet, es folgte der Deutsche Buchpreis und dann auch noch der Schweizer Buchpreis. Als Geburtsjahr steht in de l’Horizons fiktiver Biografie das Jahr 2066 und als Ausbildung das Studium des »Literarischen Weinens und der Hexerei bei Starhawk«. Tatsächlich gehört das ebenso zu den Selbstfindungen einer öffentlichen Kunstfigur wie der Name Kim de l’Horizon. Das »Blutbuch« ist jedoch ein autobiografischer Text, er erzählt formal und stilistisch meisterhaft von der Suche nach Anknüpfungspunkten in der eigenen Familie und einer Sprache für queere Identität. Kim de l’Horizon stellt seinen Roman auf Kampnagel vor.


28.03.2023 | Literatur in Hamburg
Die 18. Ausgabe des Hamburger Literaturjahrbuchs ZIEGEL

Ein Hingucker in Pink

Hamburger ZIEGEL
So leuchtend hat sich das Hamburger Literaturjahrbuch ZIEGEL bisher noch nie gezeigt. Die 18. Ausgabe der beliebten Anthologie ist jedoch nicht nur ein Hingucker in Pink, sondern präsentiert auch ein vielschichtiges Best-of mit Erzählungen, Gedichten, Auszügen aus Romanen, Theaterstücken und Comics aus der Hamburger Literatur der letzten zwei Jahre. »Es ist zwar ein schweres Buch«, schwärmte das NDR Hamburg Journal, »aber es liest sich federleicht«.


28.03.2023 | Literatur in Hamburg
Matthias Polityckis neuer Roman »Alles wird gut«

Eine Liebe in Afrika

Hamburger ZIEGEL
Matthias Politycki, Foto: Heribert Corn
Er ist ein Autor, der vor Konflikten nicht zurückschreckt, einer, der sich einmischt und Stellung bezieht. Zuletzt hat er »den deutschen Debattensumpf« mit dem Essayband »Abschied von Deutschland« ausgeleuchtet, aber auch seine Romane zielen mitten hinein in die Gemengelage gegenwärtiger Empfindsamkeiten. Von einer Männerfreundschaft über tiefe weltanschauliche Gräben hinweg handelt die grandios erzählte Komödie »Das kann uns keiner nehmen« (2020). Ausgangszenario ist eine Reise in Afrika, so wie auch in seinem neuen Roman, dem das freundliche Versprechen vorauseilt: »Alles wird gut« (Hoffmann und Campe) und der doch die »Chronik eines vermeidbaren Todes« erzählt.


28.03.2023 | Literatur in Hamburg
Katrin Seddigs neuer Roman »Nadine«

Den Ausweg finden

Katrin Seddig
Katrin Seddig, Foto: Bruno Seddig
Die Hamburger Schriftstellerin Katrin Seddig ist eine so kluge wie mitreißende Erzählerin. Zuletzt hat sie mit ihrem Roman »Sicherheitszone« (2020) in der radikalen Ausnahmesituation des G20-Gipfels einen unbefangenen Blick in die erschütterbare Mitte der Gesellschaft geworfen und wurde dafür mit dem Hamburger Literaturpreis und kurz darauf mit Hubert-Fichte-Preis ausgezeichnet. In ihrem neuen Roman »Nadine« (Rowohlt Berlin) erzählt sie die Geschichte der Selbstermächtigung einer Frau. Sie beginnt mit einer furchtbaren Nachricht.


28.03.2023 | Literatur in Hamburg
Michael Köhlmeiers neuer Roman »Frankie«

So ein ganz schlauer

Michael Köhlmeier
Michael Köhlmeier, Foto: Peter-Andreas Hassiepen
Seine Prosa umfasst über 50 Bücher, er war zudem als Hörspielautor erfolgreich, hat die »Sagen des klassischen Altertums« nacherzählt und das »Nibelungenlied«, und ist ein großer Fan und Erfinder von Märchen. Nach seinem Opus Magnum »Matou«, in dem er auf tausend Seiten aus den sieben Leben eines Katers erzählt, ist Michael Köhlmeier mit seinem Coming-of-Age-Roman »Frankie« nun auf einem eher überschaubaren Spielfeld unterwegs. Doch es geht um ein universelles Thema, das am Beispiel eines Großvaters ausbuchstabiert wird, der gerade aus dem Knast entlassen wurde, und seines Enkelsohns. Es ist eine ziemlich böse Geschichte.


28.03.2023 | Literatur in Hamburg
Virginie Despentes Roman »Liebes Arschloch«

»Du bist wie eine Taube«

Hamburger ZIEGEL
Virginie Despentes, Foto: JF PAGAn
Bekannt wurde Virginie Despentes als Autorin der »Skandalbücher« »Baise-moi – Fick mich« und »King Kong Theorie«. Spätestens mit ihren Vernon-Subutex-Romanen hat sie sich in den Olymp der zeitgenössischen französischen Literatur geschrieben. Als im letzten Herbst dann in Frankreich ihr neuer Roman »Cher Connard« erschien, stand sie monatelang im Zentrum einer aufgeregten Debatte. Jetzt ist der Roman unter dem Titel »Liebes Arschloch« (Kiepenheuer & Witsch) auch in einer deutschen Übersetzung von Ina Kronenberger und Tatjana Michaelis erschienen. Es ist ein höchst unterhaltsamer E-Mail-Roman über #MeToo und Social Media, Drogen, Machtmissbrauch und Feminismus.


28.02.2023 | Literatur in Hamburg
Magdalena Saigers Debüt »Was ihr nicht seht«

Und dann steht da ein Hirsch

Magdalena Saiger
Magdalena Saiger, Foto: Andreas Hornoff
Es geht um etwas, das aus sich selbst heraus strahlt, das echt ist, wahr und darin unanfechtbar bleibt. Aber kann es das überhaupt geben oder ist es doch immer nur ein Ideal? In ihrem hochpoetischen, feinsinnig konstruierten und gleichzeitig sehr unterhaltenden Romandebüt »Was ihr nicht seht oder die absolute Nutzlosigkeit des Mondes« (Edition Nautilus) erzählt Magdalena Saiger von einem, der auszieht, ein ideales Kunstwerk zu schaffen. Es ist die Geschichte eines künstlerischen Amoklaufs. Für einen Auszug aus dem Manuskript wurde Magdalena Saiger 2020 mit einem Hamburger Literaturpreis ausgezeichnet.


28.02.2023 | Literatur in Hamburg
Raphaela Edelbauers neuer Roman

»Man nennt sie: Inkommensurable«

Raphaela Edelbauer
Raphaela Edelbauer, Foto: Apollonia Bitzan
In ihrem neuen Roman »Die Inkommensurablen« führt Raphaela Edelbauer an einen Kipppunkt des 20. Jahrhunderts. Es ist der 30. Juli 1914, und die pulsierende Weltmetropole Wien wird von einem kollektiven Rausch heimgesucht, mit dem vor allem das Bürgertum im Deutschen Reich und Österreich-Ungarn in den Ersten Weltkrieg taumelt. Während der Countdown zur Mobilmachung läuft, begleitet der Roman drei junge Menschen für 24 Stunden auf einer orgiastischen Tour d’Horizon durch Wien, bei der bald alle Gewissheiten auf dem Prüfstand stehen.


28.02.2023 | Literatur in Hamburg
Peter Stamms neuer Roman »In einer dunkelblauen Stunde«

Eine vertrackte Geschichte

Peter Stamm
Peter Stamm, Foto: Salon du livre, Genève, 2012, Ludovic Péron
Den schmalen Grat zwischen Fiktion und Realität hat der Schweizer Schriftsteller Peter Stamm in seinen Romanen und Erzählungen immer wieder ausgelotet. Für seinen brillanten neuen Roman »In einer dunkelblauen Stunde« (S. Fischer) wächst eine romantische Versuchsanordnung nun gleich in die Realität hinein: Zwei Dokumentarfilmer wollten die Entstehung des Romans dokumentieren, sie wurden zum Spielball des Schriftstellers Peter Stamm und zum Sujet des Romans.


01.02.2023 | Literatur in Hamburg
Behzad Karim Kani, Martin Kordic und Musa Okwonga

Ein Kraftzentrum der Gegenwartsliteratur

Behzad Karim Khani
Behzad Karim Khani, Foto: Valerie Benner
Es ist fast zehn Jahre her, seit Maxim Biller der deutschen Gegenwartsliteratur in einem Artikel für »Die ZEIT« bescheinigte, sie sei »unglaublich langweilig«, die Feuilletons und Bücherregale würden von den »irrelevanten Sprachexperimenten der Retro-Avantgardisten« verstopft und von der »müden Innerlichkeitsprosa von Handke und Strauß«. Was ihm fehlte waren »lebendige literarische Stimmen von Migranten«, die sich nicht anpassen und »Wohlfühlpreise kassieren«, sondern den »romantischen Krähwinkel Deutschland« mit einer wütenden, einer widerständigen Literatur aufmischen. Auch schon vor zehn Jahren konnte man die Diagnose von Biller unter dem Label unterhaltende Provokation lesen und sie mit sehr lebendigen literarischen Stimmen widerlegen. Heute und mehrere Bestseller später ist eben diese migrantische oder postmigrantische Literatur, die Maxim Biller so vehement einforderte, längst ein Kraftzentrum der deutschen Gegenwartsliteratur. Das zeigt sich besonders eindrucksvoll in zwei vielgelobten Coming-of-Age-Romanen, die im Herbst 2022 erschienen sind.

Literatur in Hamburg